Alle Inhalte, Abbildungen und Grafiken sind urheberrechtlich geschützt. Diese dürfen ohne das schriftliche Einverständnis der Autorin nicht reproduziert, vervielfältigt, verändert oder veröffentlicht werden. ©Geta. C. Fabian. 2019
Ich finde es verstörend wie feindselig wir unserem Fett gegenüberstehen. Wir seien zu fett. Wir essen zu fett. Keine Zeitschrift ohne eine fettige Moralpredigt. Für mich sind Fette göttlich. Fette geben uns Form, sie wärmen uns und lassen uns denken. Fett schützt uns und gibt uns Energie. Fett machte uns zu Menschen. Fett zu verachten, bedeutet für mich das Leben abzuweisen.
Fette sind unentbehrlich für die Membranen aller Zellen, jener Räume, die die wässrigen Reaktionen allen Lebens beherbergen. Die Grenze zwischen Innen und Außen – die Essenz einer Zelle – wäre ohne Fett unmöglich.
Fette geben uns Form und Stabilität: in unseren Fingerspitzen, den Fußsohlen oder der weiblichen Brust. Stellen Sie sich vor, Ihnen fehlt das Fett am Po und Sie plumpsen auf ein Holzstuhl. Nicht gut!
Blut versorgt Herz und Gehirn konstant mit Wärme. Kühlt der Körper ab, wärmt das braune Fettgewebe das Blut, das zum Herz und Gehirn führt. Dieses Fett befindet sich an strategisch günstigen Plätzen: um die Klavikula, den Wirbeln, um die Aorta oder den Nebennieren. Das braune Fett ist metabolisch hochaktiv und wärmt das vorbei strömende Blut. Babys haben mit einem hohen Anteil an braunen Fett, rund fünf Prozent vom Gesamtgewicht. Das braune Fett reduziert sich im Kleinkindalter, manches verschwinden komplett, anderes bleibt uns erhalten.
Unser dominantes Fett ist das subkutane Fett, das Fett, das wir unter der Haut tragen. Wir vergrößern diese Reserve, wenn die Zeiten gut sind und lassen sie schrumpfen, wenn sie schlecht sind. Kein anderes Organ ist ähnlich flexibel wie das subkutane Fett. Es dehnt sich unendlich aus, ohne die inneren Organe einzuquetschen. Das subkutane Fett erscheint wie eine Isolierschicht, trägt aber wenig zum Wärmehaushalt bei. Dieses Fett, das metabolisch weniger aktiv ist als das braune Fett, funktioniert primär als Energiereserve. Daneben bittet sie mechanischen Schutz vor Verletzungen.
Ein Beispiel: Eine Frau mit 65 kg Körpergewicht und 25 % Körperfett hat 16,25 kg Körperfett. Davon wären 6,25 kg (rund 10 %) essenzielles Fett, das nicht zur Energieversorgung beiträgt. Es bleiben 10 kg, umgerechnet 70.000 kcal. Würde die Frau fasten, überlebe sie rein rechnerisch rund 40 Tage. Jetzt nehmen wir an, Glykogen (Kohlenhydrat) sei der primäre Energielieferant. Rund 500 g Glykogen liefern unserer Frau 2.000 kcal. Speichert sie 70.000 kcal als Glykogen, lagert sie 17,5 kg reines Glykogen im Körper ein. Im Gegensatz zu Fett speichern wir Glykogen zusammen mit Wasser ein, weil Kohlenhydrate osmotisch sind. Das Verhältnis von Glykogen zu Wasser ist eins zu drei bis eins zu fünft. Rechnen wir das Wasser mit ein, ergeben sich aus 17,5 kg rund 52,5-87,5 kg. Dieses Gewicht träge die Frau zusätzlich am Körper – 52,5 kg sind schwerer als 10 kg. Fett ist eine ideale Energiereserve, weil sie leicht ist und grenzenlos am Körper wachsen kann.
Für Primaten sind Menschen auffällig fette Kreaturen. Unsere Babys sind auffällig fett. Diese typisch menschliche Eigenart, so die Theorie, sichert die kognitive Entwicklung des Kindes. Das Fett versorgt das Baby mit Energie im Überschuss und mit Grundbausteine für die Entwicklung von Hirnzellen, wie dem Cholesterin. Es sind unsere kognitiven Fähigkeiten, die uns von anderen Primaten abgrenzt. Diese Fähigkeiten entwickelten wir, weil wir im Laufe der Evolution fetter wurden. (1, 2)
Fett ist für alles Lebende essenziell. Unserer Evolution wäre ohne Fett nicht geschehen. Fett machte uns zu den Wesen, die wir sind. Es täte uns besser es zu lieben, als es zu hassen.
Die kurze Chemie der Fette
Fette sind Moleküle, die sich durch spezifische chemische Gruppen auszeichnen (Abb. 1). Ein Fettmolekül hat eine bis drei Fettsäuren und ein Rückgrat aus drei Kohlenstoffatomen, dem Glycerol. Moleküle mit einer Fettsäure werden Monoacylglyceride genannt, mit zwei Fettsäuren Diacylglyceride und mit drei Fettsäuren Triacylglyceride. Die Begriffe Triacylglyceride (TAG) und Triglyceride (TG) beschreiben dieselben Moleküle. Ich werde mich an den Begriff TG halten, weil er umgangssprachlicher ist.
Unser Körper verstoffwechselt hauptsächlich TG. Sie bilden die Hauptmasse der Nahrungsfette und sind die Speicherform im Fettgewebe. Obwohl Fette und Fettsäuren (FS) chemisch unterschiedliche Moleküle bezeichnen, verwendete ich sie im Folgenden als austauschbare Begriffe.
Der Begriff TG sagt nichts über die Natur der Fettsäuren aus. Es gibt kurzkettige Fettsäuren mit zwei Kohlenstoffatomen und langkettige Fettsäuren mit über zwanzig Kohlenstoffatomen. Eine Fettsäure heißt gesättigt, wenn sie keine Doppelbindung hat. Eine Fettsäure ist ungesättigt, wenn sie eine oder mehrere Doppelbindungen aufweist. (Abb. 1). Langkettige TG sind das primäre Format für den Fettmetabolismus. Weiterhin bilden sie Zellmembranen, sind Bausteine zellulärer Mediatoren oder bilden die Schutzschicht der Haut.
Langkettigen Fette sind nicht wasserlöslich. Der Transport durch die Blutbahn erfolgt durch wasserlösliche Lipoproteinen. Liegen die Fettsäuren frei vor, das heißt ohne Glycerol, binden sie für den Transport am Albumin, einem wasserlöslichen Blutprotein. Liegen die Fettsäuren als TG vor, transportieren Lipoproteinen sie zum Zielgewebe.
In Lipoproteinen und Fettzellen emulgiert Cholesterin die TG. Der Transport und die Speicherung von Fetten sind ohne Cholesterin undenkbar. Unser Fettmetabolismus ist abhängig von cholesterinreichen Lipoproteinen.
1. Wells JC. The evolution of human adiposity and obesity: where did it all Go wrong? Dis Model Mech. 2012 Sep;5(5):595-607.
2. Stephan C. Cunnane. Survival Of The Fattest: The Key To Human Brain Evolution (Englisch), 2005.
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