Fette sind göttlich, deren Biochemie ein menschliches Kunststück: zugleich reizvoll und masochistisch.
MCT – die Chemie. Ein Fett ist aufgebaut aus ein Kohlenstoffrückgrat mit drei Kohlenstoffatomen, an das Fettsäuren gebunden sind. Bei drei Fettsäuren spricht man von Triglyceriden (TG). Länge der Fettsäure, das heißt, deren Zahl an Kohlenstoffatomen (C), definiert ihre Einstufung als kurzkettige (C2 bis C4), mittelkettige (C6 bis C10), langkettige (C12 bis C18) oder sehr langkettige Fettsäure (ab C20). Mittelkettige Triglyceride (MCT, aus dem Englischen medium chain Triglyceride) sind Fette mit Fettsäuren aus sechs (Capronsäure), acht (Caprylsäure) oder zehn (Caprinsäure) Kohlenstoffatome.
Laurinsäure, C12, ist keine mittelkettige Fettsäure. Sie wird entweder den langkettigen Fettsäuren zugerechnet oder als Bindeglied zwischen mittelkettigen und langkettigen Fettsäuren betrachtet.
MCT – die Biochemie. Die Ketogenese setzt zwei Bedingung voraus: ein niedriger Insulinspiegel und viele Fettsäuren. Alle Nahrungsmittel, aus denen wir Energie gewinnen, werden in den ersten metabolischen Schritten zu Acetyl-CoA (Ac-CoA) umgewandelt. Ac-CoA sind zentrale Moleküle aus zwei Kohlenstoffatomen, an denen das Coenzym-A gebunden ist. Die finale Umwandlung von Ac-CoA in Energie, Kohlendioxid und Wasser erfordert mehrere enzymatische Schritte mit limitierter Kapazität, so dass es nach einer Mahlzeit zu einem „Ac-CoA-Stau“, einer Akkumulation an Ac-CoA, kommt.
Ac-CoA ist ein Ausgangsmolekül für eine Reihe von Zellkomponenten; für ein Ac-CoA Exzess hat die Zelle hingegen Ventilmechanismen: Sie synthetisiert daraus entweder TG oder Ketone. Der erste Weg findet statt, wenn das Hormon Insulin erhöht ist; der zweite Weg, wenn das Insulin niedrig bleibt. Eine hohe TG-Konzentration in Blut ist deshalb ein Merkmal einer kohlenhydratreichen Ernährung. Die Akkumulation von Ac-CoA in der ketogenen Ernährung, ist die Folge der hohen Oxidationsrate von Fettsäuren, die in die Produktion von Ketonen umgeleitet wird.
MCT sind schnell. MCT haben zwei Attribute, die sie zu eine schnelle Oxidation prädestiniert. Ihr Weg aus dem Darm in die Leberzellen ist kurz (wie ein ICE ohne Verspätung), und sie werden, innerhalb der Zelle, ohne Hindernisse in den Mitochondrien aufgenommen (Abb. 1 (A)). Langkettige Fettsäuren hingegen werden in Chylomikronen verpackt, auf der Reise zum peripheren Gewebe geschickt wo sie ihre TG-Ladung abgeben, um dann als Rest zur Leber zurückzukehren. Hier werden sie zu Energie oxidiert oder in andere TG umgewandelt. Langkettige Fettsäuren sind langsam; sie nehmen die Bummelbahn. Zusätzlich benötigen sie einen Transporter, den Carnitin-Shuttle, um in den Mitochondrien aufgenommen zu werden (Abb. 1(B)).

Abb. 1 Lankettige und mittelkettige Fettsäuren werden unterschiedlich schnell der Ketogenese zugeführt. MCFA gelangen auf direktem Weg in die Mitochondrien (A), LCFA hingegen, werden im Chylomikronen aufgenommen und erst nach Verteilung im Körper, der Leber zugeführt (B).
Es ist nicht so, dass mittelkettige und langkettige Fettsäuren entweder nur via ICE oder nur via Bummelbahn reisen. Es ist mehr so, dass die Mehrheit der Mittelkettigen dem schnellen Transport unterliegen, weil sie weniger affin für die Bindung an Chylomikronen sind, während die Langkettigen eine hohe Affinität aufweisen. Laurinsäure hat eine hohe Affinität zu Chylomikronen, und ist deshalb keine mittelkettige Fettsäure.
Da MCT schnell transportiert werden, akkumuliert Ac-CoA schneller und die Ketogenese wird eingeleitet. Im Blut ist deshalb 3-4 Stunden nach der Einnahme vom MCT-Öl ein Peak an β-Hydroxybutyrat messbar. Langkettige Fettsäuren sind ketogen, wenn sie dauerhaft in Überschuss liegen. Ihre Umwandlung in Ketone findet langsam statt dafür aber nachhaltig. Das sieht man beim Fasten, wo die Ketogenese auf Hochtouren läuft und das Fettgewebe den Körper kontinuierlich mit langkettigen Fettsäuren überschwemmt.
MCT in Lebensmitteln. Pflanzliche Quellen an MCT sind Kokosfett und Palmöl. Einzige tierische Quelle für MCT ist Milchfett, weil nur die Milchdrüsen diese Fettsäuren synthetisieren. Daran sieht man, was MCT für uns sind: Babynahrung. (In der Tat, Babys haben einen ausgesprochen effizienten Ketonstoffwechsel, der essenziell ist für eine erfolgreiche Entwicklung ihres Gehirns.)
Weil MCT in Milchfett vorkommen, sind Butter und Käse mit hohen Fettgehalt die einzigen tierischen Quellen für diese Fettsäuren, wobei deren Konzentration von Tierart und den Lebensbedingungen der Muttertiere abhängig ist. Das Milchfett der Ziege und des Schafs weist einen hohen MCT-Anteil auf, Milchfett von der Kuh hingegen ist ärmer an mittelkettigen Fettsäuren (Tab. 1). Somit sind fettreiche Käsesorten, wie Roquefort oder Pecorino, reich an MCT, Light-Mozzarella arm an MCT.
Fazit. MCT-Öl wurde zur Unterstützung der zeitlich-begrenzten ketogenen Diät bei pädiatrischer Epilepsie entwickelt. MCT-Öl wirkt ebenfalls unterstützend im Rahmen einer ketogenen Diät bei Übergewicht und metabolischem Syndrom.
MCT sind hingegen für gesunde Erwachsene, die sich für eine ketogene Ernährung entscheiden, von geringer Bedeutung. So müsste man pro Tag circa 150g Kokosfett oder 250g Kuhbutter essen, um den therapeutischen Schwellenwert von 18g MCT zu erreichen. MCT-Öl erhöht temporär Ketone, kann dabei aber Übelkeit, saures Aufstoßen und Durchfall verursachen. Langkettige Fettsäuren sind am brauchbarsten, um eine dauerhaft hohe Konzentration an Ketonen zu garantieren.
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